Neujahrsempfang mit Google-Manager
Der gebürtige Ravensburger ist Adjunct Professor an der Stanford University und arbeitet seit Jahren für den Internet-Konzern Google im Silicon Valley. Für die über 70.000 Mitarbeiter des Giganten möchte er eine Umgebung schaffen, die Innovationen nicht nur erlaubt, sondern fördert. „Wir sind heute einem ebenso starken Wandel unterworfen wie damals, als Feuer entdeckt oder Strom und Energie verbreitet wurden. Wenn wir die Zukunft aktiv mitgestalten wollen, brauchen wir Ideen – und eine Neuprogrammierung unserer Denkweise.“
An diese machte sich der promovierte Wirtschaftspädagoge durch Übungen, die im Publikum hier und da peinliche Berührung, vor allem aber Leben und Gelächter entstehen ließ. In 45 Sekunden sollte jeder seinen Nachbarn auf bunte Pappen malen – und ihm das Bild dann auch noch zeigen. „Ich sehe viel Humor im Saal“, so Pferdt, als die Vertreter aus Industrie und Wirtschaft die erste Aufgabe gemeistert hatten, „und leider wenig Selbstvertrauen in Ihre eigenen Fähigkeiten.“Das sei charakteristisch und der große Unterschied zu Kindern, die an einem Tag durchschnittlich 130 Fragen stellten und auf jede Zeichnung stolz seien. Zu oft hielten die Erwachsenen dagegen ihre Ideen für unfertig und imperfekt und behielten sie für sich – „obwohl diese Ideen etwas verändern könnten. Zeigen Sie immer eine gesunde Missachtung des Unmöglichen!“
Gerade Führungskräfte, so der 41-jährige, müssen auf die Ansätze ihrer Mitarbeiter offen reagieren, um noch mehr Ideenreichtum und damit Innovationen zu fördern. „An jeder Idee gleich etwas auszusetzen und mit einem „Ja, aber“ zu antworten, hat uns evolutionsbedingt oft das Leben gerettet. Heute müssen Ideen auf Respekt, Wachstumschancen und ein „Ja, und“ treffen. Lassen Sie Ihre Teams eine Idee 30 Tage lang testen – und fragen Sie im Falle des Erfolgs und Misserfolgs danach, was daraus gelernt wurde.“ Empathie und die psychisch-emotionale Sicherheit, Risiken eingehen und jederzeit zurückgehen zu dürfen, seien dabei elementar, so Pferdt.
Gerne wäre man am Schluss dieses erhellenden Vortrags zum Kind geworden und hätte dem Google-Manager Fragen gestellt. Zum Beispiel, wo denn die Empathie bleibt in der von Pferdt skizzierten „Errungenschaft, dass Hautkrebs nun per Handy-Foto statt nach 30-tägiger Untersuchung des Dermatologen diagnostiziert werden kann“? Einer hatte jedoch die Möglichkeit, zu fragen – und nutzte sie für eine feine, mächtige Frage: „Was wäre, wenn die großen Unternehmen ihre Steuern dort bezahlen würden, wo der Ertrag entsteht, so wie es die kleinen und mittleren Unternehmen machen müssen?“ fragte Dr. Peter Kulitz, Präsident der IHK Ulm, in seinem Schlusswort. Zusammen mit seinem Pendant aus Weingarten, Präsident Heinrich Grieshaber, signalisierte er klare Erwartungen an eine Regierungsbildung und plädierte für Mut und Besonnenheit als Motto für das Jahr 2018.
Möglich, dass die knapp 700 Unternehmer beim Übergang in den geselligen Teil des Abends noch nicht komplett neu programmiert waren. Das dachte wohl auch Pferdt und legte ihnen die Übung ans Herz, morgens als erstes drei Dinge aufzuschreiben, für die man dankbar sei. „Und das 28 Tage lang. Am 29. Tag brauchen Sie den Zettel nicht mehr, da denken Sie automatisch positiv.“
Auf- und wachrüttelnd war der Abend aber dennoch – und daran hatten neben den vielen guten Gesprächen auch die musikalischen Schwergewichte von „Rhythm Schrott and Voices“ ihren Anteil. In engen Shirts, Cargohosen und Stiefeln erfüllten sie den Saal mit viel Rhythmus und trommelten auf blauen (Müll-)Tonnen. Vielleicht waren sie Pferdts Idee nach dem Leben ohne Müll schon vorher auf die Spur gekommen? Man weiß es nicht. Aber eine Frage ist es allemal wert. sch
Fotos: IHK Ulm