Baubürgermeister Simon Menth

Diesen Karriereschritt hat er nicht auf Sand gebaut – der Theologe Simon Menth ist neuer Biberacher Baubürgermeister und sitzt nach über 100 Tagen bereits fest im Sattel der sich verjüngenden Stadtspitze. Über Gestaltungsräume und aktuelle Herausforderungen, über Gemeinsamkeiten von Theologie und Bau sprach Nadja Cramer mit ihm in seinem Altbaubüro mit Blick auf den Spitalhof.

Herr Menth, nach mehr als 5 Jahren als persönlicher Referent von Oberbürgermeister Zeidler sind Sie nun Baubürgermeister. Was ist besser, was schwieriger, was ist anders in Ihrem neuen Amt?

Ich fange mit dem „anders“ an: Als persönlicher Referent bearbeitet man – in der zweiten Reihe – eine große Bandbreite an Themen, vertritt sie aber nicht selbst, steht nicht im öffentlichen Fokus. Ebenfalls neu ist für mich, Führungskraft von 200 Mitarbeitenden zu sein. Meine jetzige Rolle ist nicht besser oder schlechter, sondern ganz anders, mit größerer Verantwortung, und das gefällt mir sehr.

Als Theologe haben Sie auf Stadtentwicklung sicher einen ganz eigenen Blick. Was treibt Sie an?

Als ich mich vor sechs Jahren in Biberach beworben habe, strebte ich damit ganz bewusst den Wechsel in den kommunalen Bereich an. Dort wird große Politik konkret und unmittelbar, sie kann die Lebensqualität positiv verändern. Die Gestaltungsspielräume sind groß, zumal an einem privilegierten Standort wie Biberach. Wir können für die entscheidenden Zukunftsthemen – Mobilität, kommunale Wärmeplanung, Klimaschutz und Klimafolgenanpassung – die Weichen stellen.

Was möchten Sie bewahren, was verändern?

Biberach steht sehr gut da und ist ein prosperierender Standort, dem von der jüngsten Bertelsmann-Studie bis 2040 ein 11%iges Bevölkerungswachstum attestiert wird. Damit gehören wir zu den Top-3-Wachstumsregionen. Diese Prosperität gilt es zu bewahren, die Rahmenbedingungen müssen weiterhin stimmen, damit unser Menschen- und lebensfreundlicher Standort erhalten bleibt. Das ist kein triviales Vorhaben und steht immer in Abhängigkeit zu anderen Dingen. Eine wachsende Bevölkerung wirkt sich auf den Wohnraumbedarf, auf Krippen und Schulen aus. Auch Themen wie Wohnen im Alter und ein gutes Straßen- und Wegenetz – Stichwort Mobilität – müssen überzeugen. Wachstum bringt Veränderungen mit sich, die wir konstruktiv begleiten werden.

Welches sind Ihre Lieblingsplätze und Gebäude in Biberach?

Der Marktplatz – er macht bei verschiedenen Anlässen Bürgersinn und auch -stolz greifbar: Wie er kurz vor der Trommlerabnahme flimmert oder plötzlich erstrahlt, wenn das Christkind da ist. Liebenswert! Besonders mag ich auch das Lindele mit seinem schönen Blick über die Stadt bis hin zu den Alpen. Hier weitet sich auch die eigene Perspektive, raus aus dem Alltäglichen. Ein wichtiger Ort ist für mich auch die Stadtpfarrkirche aufgrund des Simultaneums mit seinen Grundgedanken der Kooperation und Verständigung und das bereits zu einer Zeit, in der dies keine Mode waren. Diese und noch viele weitere Orte prägen für mich den Biberacher way of life.

Die Spielräume Ihres Verantwortungsbereichs nannten Sie als eines von Biberachs Privilegien. Wofür werden Sie ihn in den ersten ein, zwei Jahren nutzen?

Die Verwaltung verstehe ich als Dienstleistungseinheit für die Bürgerinnen und Bürger. Spielräume sind für mich Teil einer Kultur der Ermöglichung und helfen dabei, nicht „gegen“, sondern „für“ eine Sache zu handeln. Gemeinsam mit der Bürgerschaft und der Verwaltung möchte ich daher immer wieder fragen: „Wie kann es gehen?“ Lösungswege suchen gehört für mich zur Alltagskultur, und die möchte ich vorleben.

Wie groß sind die Gestaltungsspielräume in Sachen „grüne Innenstadt“?

Das ist ein beliebtes und oft diskutiertes Thema. Dabei herrscht große Einigkeit darüber, dass alles Grüne Schutz vor Hitze bietet und eine Stadt lebenswert und schön macht. Knifflig ist die Frage, wie wir unsere Altstadt multifunktional erhalten und die Begrünung mit dem Platz- und Sicherheitsbedarf von Christklindles- und Wochenmarkt, von Schützenfest bis Kugelstoßen unter einen Hut bringen. Es bleiben nicht viele Flächen, weil wir auch Rettungswege und die Gegebenheiten im Untergrund nicht ausblenden können. Unsere mobilen Pflanzkübel lassen uns da großen Gestaltungsspielraum.

 „Biberach weiter bauen“ und die „Schaustelle“ sind beliebte Formate, bei denen der Baubürgermeister mit den Bürgerinnen und Bürgern ins Gespräch kommt. Werden Sie ihnen neue Akzente verpassen – und auch digitale Formate ins Leben bringen?

Diese beliebten und auch charmanten Formate verschaffen den Bürgern einen guten Einblick und mir ermöglichen sie den direkten Kontakt und breites Feedback. „Biberach weiter bauen“ möchte ich in Zukunft für Referenten öffnen. So können wir mit Bezug zu unserer Heimatstadt ins Gespräch über Baukultur, Bauen und Planen kommen.

Neu ist meine Bürgersprechstunde – die erste ist bereits ausgebucht – in der sich die Bürgerschaft ganz individuell Gehör verschaffen oder Themen platzieren kann. Neu sind auch erste Videos auf Instagram, mit denen ich auch das digitale Publikum auf moderne Art und Weise erreichen möchte.

Die kommenden Jahre sind in Sachen Bau geprägt vom Umsetzen bereits geplanter Projekte: ZOB, Gemeindeverbindungsstraße Blosenberg, Wohngebiet Hirschberg, B 30-Aufstieg, Breitbandausbau, Unwetterschutz sowie Projekte im Bildungs- und Betreuungsbereich sind „ready to go“. Wo bleibt Ihnen Luft zum Gestalten?

Diese großen Themen sind projektiert, ja. Die Gestaltungsmöglichkeiten sind deshalb aber nicht vorbei. Im Gegenteil: Viele spannende Fragen kommen erst auf, wenn ein Projekt in die Umsetzung geht. Dann wird es konkret und es gibt Gestaltungsmöglichkeiten im Kleinen, was für die Bürger oft sogar entscheidender ist.

„Bezahlbarer Wohnraum“ ist in der großen Politik immer wieder Thema. Auch in Biberach?

Ja. Bei diesem Stichwort denkt man meist an den öffentlich geförderten Wohnraum für einkommensschwächere Schichten, obwohl Wohnraum nicht nur in unteren Einkommensschichten fehlt. In Biberach ist Wohnraum schon jetzt eher knapp und aufgrund des prognostizierten Wachstums brauchen wir in den nächsten 15 Jahren Wohnfläche für die rund 11 Prozent mehr an Bevölkerung. Wir wollen dieses Thema dringend weitertreiben, die übergeordneten Rahmenbedingungen sind dabei aber ein wesentlicher Faktor. Zum Beispiel Baustandards und Fördermöglichkeiten. Derzeit sind mehrere Baugebiete in Arbeit, in erster Linie der Hirschberg in zentraler Lage, aber auch Gebiete in Randlagen. Gleichzeitig ist „Innenentwicklung und -verdichtung“ ein wichtiges Stichwort, denn Fläche ist ein endliches Gut.

Nach sechs Jahren in der Kommunalpolitik sind Sie an vieles schon gewöhnt. Haben Sie dennoch Vorschläge, was die hiesige Verwaltung besser regeln oder schneller umsetzen könnte?

Wenn man über „die Verwaltung“ spricht, dann unterschätzt man leicht das Ausmaß der Bürokratie, unter der wir auch selbst leiden. Denn wir sind im Operativen ja genauso betroffen von all den Vorgaben wie alle anderen! Etwas schneller könnte die öffentliche Verwaltung in der Digitalisierung sein, also noch mehr und schneller Dienste online anbieten. Da sind wir dran. Wichtig ist, dass wir unsere Service-Qualität beibehalten – und zwar obwohl der demografische Wandel auch unseren Personalbestand verkleinern wird. Dies können wir nur mit einer höheren Effizienz meistern.

Sehen Sie Gemeinsamkeiten bei der Theologie und der Verwaltung?

Sowohl in der Theologie als auch in der Verwaltung kreisen wir um Menschen und tun gut daran, uns im Umgang mit ihnen zu üben und diesen zu pflegen. Dinge gelingen deutlich besser, wenn man Menschen mag und mit Zutrauen und Zuwendung am Werk ist. Und: Sie brauchen jeweils das Talent, vom großen Ganzen her zu denken. Ohne dabei das Konkrete aus dem Blick zu verlieren – ja, das macht Theologie und Verwaltung aus.

Foto: Stadt Biberach