Vom Unkraut zum Superfood

Wie schon der Philosoph Ralph Waldo Emerson feststellte: „Unkraut nennt man die Pflanze, deren Vorzüge man noch nicht kennt.“ Die Ulmer Diplom-Biologin und Ethnobotanikerin Sybille Braun kennt die Vorzüge der Wildpflanzen. Zur Frühjahrszeit erweisen sich vor allem Brennnesseln als Segen für den Körper. „Sie ist eine unserer ältesten Heil- und Nahrungspflanzen, steckt voller Vitamine, Mineralstoffe sowie wichtiger Fett- und Aminosäuren“, schwärmt Braun. Die Blätter der Pflanze sind reicher an Vitamin C als Zitrusfrüchte. Als Tee fördern sie die Ausscheidung von Schad- und Schlackenstoffen. Damit ist die Brennnessel ein ideales Getränk für eine Detox-Kur. Zudem kann sie bei Harnwegserkrankungen Abhilfe leisten.

Für die Figur und die Libido

Ein Insidertipp von der Biologin: Die Brennnesselsamen, die im Spätsommer geerntet werden, sind besonderes eiweißreich und enthalten auch Omega3-Fettsäuren. „Im Mittelalter galten diese als stärkend und potenzfördernd“, weiß die Kennerin antiker medizinischer Schriften. Schon Hildegard von Bingen soll behauptet haben, dass diese „gut für die ehelichen Werke“ seien. Weiterer Vorteil:
„Innerlich verköstigt sorgt die Brennnessel für eine gute Haut. Äußerlich angewandt als Kopfhauttinktur regt sie das Haarwachstum an.“

Zubereitungstipps: Brennnesseln können wie Spinat zubereitet und sogar als Pizzabelag verwendet werden! Mit heißem Wasser übergossene Blätter brennen nicht mehr. Bei roher Verarbeitung entweder Handschuhe tragen oder die Brennhaare brechen, indem man die Blätter in ein Geschirrtuch einwickelt und dieses „auswringt“ oder mit dem Nudelholz ausrollt. Sie lassen sich bei Zimmertemperatur gut trocken.

Pflücktipps vom Experten

Lars Konarek ist Bushcraft- und Survivalexperte. Sein Wissen stellt er für Sendungen bei National Geographic, ARTE und PRO7 zur Verfügung. Für Konarek ist das Survival Food längst zum Superfood geworden. „Frischer und biologischer geht es nicht.“ Vor allem die eisenreiche Brennnessel hat es ihm angetan. Der Pflanzenexperte hat einen Tipp fürs Pflücken parat. „Einfach die Pflanze von unten pflücken und kopfüber halten. Dann sind die Brennhaare bedeckt.“ Nun lassen sich die Blätter einfach zusammenfalten und pur essen. Weitere Tipps: Wildpflanzen am besten morgens pflücken, dann sind sie am energiereichsten. Aufbewahrt werden sollten sie in Leinenbeuteln, nicht in Plastiktüten oder Tupperware. Die Pflanzen ohne Wurzeln abzupfen, damit sie nachwachsen können.

Wildblüten: bunt & gesund

Blüten liegen im Trend. Ob blau blühender Borretsch als Salatgarnitur, Ringelblumen zum Färben von Soßen oder Veilchen fürs Dessert. Lars Konarek, der in einem vom Fernsehen begleiteten Experiment mehrere Tage ohne jegliche Hilfsmittel in der freien Natur überwinterte, schwört auf Wildblüten und -pflanzen. „Sie haben oft eine viel höhere Nährstoffdichte als Salat.“ Hier ein paar Favoriten.

Gänseblümchen: Klein, aber oho! Die fröhlich aussehenden Blüten haben es in sich. „Das sind kleine Kraftpakete“, schwärmt er. „Zehn Handvoll Gänseblümchen decken den Tagesbedarf an Nährstoffen!“ Über Suppen, Soßen und Salate gestreut, sind sie ein Gute-Laune-Augenschmaus. Ihr mild-nussiger Geschmack mundet Groß und Klein – eine ideale „Einsteigerblüte“.

Der erfolgreiche Prepper, der sein Wissen in eigenen Exkursionen und in seinem Buch „Bushcraft – Survivalwissen Wildpflanzen Europas“ weitergibt, schwört zudem auf Löwenzahn. „Die Powerpflanze schlechthin, ideal zur Nahrungsergänzung“, weiß der Profi. Weitere Tipps: Zwei Handvoll Wiesenklee adeln jeden Salat und schmeicheln dem Teint. Grund: Wiesenklee enthält mehr Betacarotin als Karotten. Die weißlich-roséfarbenen bis zartviolett sprießenden Blüten des Wiesenschaumkrauts sind ein ideales Würzmittel für Kräuterquark. Geschmacklich rangieren sie zwischen Kresse und Meerrettich. Sie stecken voller Vitamin C, wirken reinigend und schmecken leicht scharf.

Hätten Sie’s gewusst? Während Aphrodite den Granatapfel mit sich führte, wurde „Bellis perennis“, die ausdauernde Schöne, der nordischen Fruchtbarkeitsgöttin Freya zugordnet. Das Gänseblümchen soll Langlebigkeit, Schönheit und Schutz vor Krankheiten bieten. Wer keinen Zugang zu frischen Brennnesseln hat: Sie sind auch in Pulverform, als Teemischung und getrocknet zu erhalten. Im eigenen Garten sollte der Pflanze ein Fleckchen eingeräumt werden. Sie ist ein wichtiger Futterlieferant für viele Schmetterlinge und Insekten. Brennnesseln und Wildpflanzen sind gesund, ökologisch wertvoll, vielseitig kombinierbar, ihre Blüten ein Genuss für Auge und Gaumen. Daher lautet das Frühlingsmotto 2018: Wohl dem, der sich ans Unkraut traut! dwi 

Detox de luxe:
Gänseblümchen-Suppe mit Spargel

Frühjahrsmüdigkeit ade! Diese aromatische Suppe liefert wertvolle Nährstoffe, entschlackt, energetisiert und macht Lust auf Lenz!

Zutaten (für 4 Personen):
• 350 gr. mehlig kochende Kartoffeln
• 100 gr. Pastinake (alternativ Petersilienwurzel oder Sellerie)
• 150 gr. Hafersahne oder Sahne
• 3 Handvoll Gänseblümchen (nur die Köpfe)
• 1 Handvoll Brennnesselblätter
• 750 ml Gemüsebrühe
• 2 EL erhitzbares Pflanzenöl
• 1 Schalotte
• 1 bis 2 Blätter Bärlauch
• 1 Handvoll geröstete Sonnen- blumenkerne
• Salz, Pfeffer, etwas geriebene Muskatnuss
• 8 grüne Spargelstangen

Zubereitung:
Kartoffeln, Pastinake und Schalotte schälen, klein würfeln. Im Öl andünsten, mit Gemüsebrühe aufgießen und 20 Minuten köcheln lassen. Zwei Handvoll Gänseblümchen plus Brennnesselblätter zufügen und pürieren, zerkleinerten Bärlauch unterheben. Mit Salz, Pfeffer und Muskatnuss abschmecken. In Suppenteller abfüllen, mit restlichen Gänseblümchen sowie gerösteten Sonnenblumenkernen bestreuen. Die weichgekochten Spargelstangen als Einlage hinzugeben.

 

Feinschmeckertipp vom Sternekoch!

Christoph Hormel, Küchenchef des Restaurants Siedepunkt im Best Western Plus Atrium Hotel Ulm und 2017 mit einem Michelin-Stern ausgezeichnet:

„Ich sammle leidenschaftlich gerne, was die üppige Natur uns in der Region auftischt, zum Beispiel Waldmeister, Bärlauch, Pilze und Tannenspitzen. Das Sammeln an der frischen Luft bietet mir einen Ausgleich zum stressigen Alltag in der Küche, hier schöpfe ich Kraft und Inspiration. Neben internationalen Aromen ist das Restaurant Siedepunkt geprägt von Regionalität und Frische – beides bestens vereint in heimischen Wildpflanzen.“

Bärlauchkapern
Passen zum Beispiel hervorragend zu Fisch. Die Bärlauchknospen müssen noch vor der Blüte gesammelt werden.

• 2-3 Handvoll frisch gepflückte Bärlauchknospen
• 250 ml Essig
• 1 TL Salz
• 1 TL Zucker
• 1 EL Honig
• 1 EL Pfefferkörner
• 2-3 Lorbeerblätter

Bärlauchknospen waschen und trocken tupfen. Essig mit den Gewürzen aufkochen. Die Knospen in Einmachgläser füllen und mit dem noch heißen Essig übergießen bis sie vollständig überdeckt sind. Die Kapern sollten dann etwa 1-2 Wochen ziehen.

Fotos: Fotolia.de (Marina Lohrbach, Hetizia), Lars Konarek, Restaurant Siedepunkt