Die Schwäbisch-Alemannische Fasnet
Eigentlich ist es die pure Anarchie, die seit 2014 ins UNESCO Kulturerbe aufgenommen wurde.
Während der schwäbisch-alemannischen Fasnet wird die Welt auf den Kopf gestellt. Die Narren haben das Sagen, die Ordnungsträger sind entmachtet, es wird der Völlerei und sonstigen „Sünden“ gefrönt. Wir klären über das Brauchtum und weit verbreitete Missverständnisse auf.
Das erste große Missverständnis geht auf die Herkunft oder vielmehr den Zweck der Fasnet zurück. Gerne wird behauptet, die Fasnet sei dazu da, den Winter auszutreiben. Jedoch konnte derlei nie wirklich mit Quellen belegt werden. Sehr wohl belegt ist hingegen, dass die Fasnet dazu diente, verderbliche Lebensmittel aufzubrauchen und das Überleben von Metzgern, Brauern und Co zu sichern. Deren Erzeugnisse wie Fleisch, Eier oder Alkohol durften in der Fastenzeit nicht konsumiert werden. In früheren Zeiten, als Detox und Entschlackung noch Fremdwörter waren, stellte die Fastenzeit für die einfache Bevölkerung eine harte, entbehrungsreiche Zeit dar. Die Motivation, sich davor noch einmal richtig auszutoben, war dementsprechend groß.
Unterschied Karneval – Fasnet
Die schwäbisch-alemannische Fasnet grenzt sich vom rheinischen Karneval ab. Sie nimmt lokales Brauchtum sowie Elemente aus der frühchristlichen und mittelalterlichen Fasnet auf. So tragen die Hästräger Jahr für Jahr dasselbe Kostüm, das manchmal sogar an nachfolgende Generationen weitervererbt wird. Es sollen Teufelskostüme auf den Straßen unterwegs sein, die bereits hunderte feuchtfröhliche Jahre auf dem Buckel haben. Im Unterschied dazu wechselt beim Karneval das Motto beziehungsweise Kostüm jährlich.
Seit Anfang des 20. Jahrhunderts haben sich die Narren in größeren Vereinigungen wie der „Vereinigung schwäbisch-alemannischer Narrenzünfte e.V.“ organisiert, um gemeinsame Narrentreffen auf die Beine zu stellen. Die Fasnetslandschaft unterteilt sich im Südwesten in acht Gebiete wie Donau, Oberschwaben, Schwarzwald, Bodensee-Linzgau, Hochrhein usw. Traditionell beginnt die schwäbisch-alemannische Fasnet (auch Fasnacht und Fasned genannt) am Dreikönigstag, dem 6. Januar. Die Hochphase findet zwischen dem schmutzigen/glompigen Donnerstag und dem Fasnachtsdienstag statt.
Grundwissen für Nei’gschmeckte und (bisherige) Fasnetsmuffel
Herzstück der schwäbisch-alemannischen Fasnet ist das jeweilige Häs, also das entsprechende Narrenkostüm. Dazu gehören Hexen, Teufel (auch Hans/Federle/ Federhannes genannt), wilde Leute, Weißnarren, Riesenfiguren, Tier- und Sagengestalten. Dazu kommen lokale Figuren, beispielsweise die Geschenke verteilenden „Maschker“ in Ehingen und Munderkingen und Sagengestalten wie der Immendinger Donaugeist oder die Riedlinger Gole. Das sind Riesenfiguren mit Masken über 70 cm.
Jede Narrenzunft hat einen eigenen Narrenruf. Am bekannten ist „Narri Narro“. Ferner tragen die Narren Accessoires, die biblische Sünden wie Eitelkeit und Egoismus symbolisieren. Dies können zum Beispiel Spiegel und Schneckenhäuser, letztere als Symbol für Lust und Völlerei, sein. Für Ausgelassenheit sorgen Lärminstrumente rund um Schellen/Glocken/Rollen plus die beliebten Neckinstrumente. Eine Streckschere ist hervorragend dazu geeignet, ahnungslosen Zuschauern von hinten ins Genick zu zwicken oder Ihnen die Mützen vom Kopf zu klauen. Soviel Anarchie muss sein!
Necken, Erschrecken, Beschwören
Als wahre Festhochburgen der 5. Jahreszeit haben sich Rottweil und Villingen einen Namen gemacht. In Rottweil locken die historischen Narrensprünge am Fasnachtsmontag und -dienstag die Feierwütigen bereits um 8 Uhr morgens mit „Huhuhu“-Rufen aus dem Bett! In Villingen wird Kater Miau aus dem Romäusturm befreit und erobert gemeinsam mit weiteren Katzenrolli-Figuren die Herzen der Zuschauer. Während die 20 Gruppen des Katzenmusikvereins auf Motivwägen die schändlichen Taten von Politik und Stadt zur Schau stellen.
Daneben hält die Fasnet allerlei Mutproben und gruselige Momente bereit. Beim Brunnenspringen in Munderkingen dürfen die Akteure keine Frostbeulen sein. Nach Musik, Tanz, dem Aufsagen von Sprüchen und dem Trinken von warmem Wein springen junge Männer unter „Narro-Hee“-Rufen der Anwesenden drei Mal ins eiskalte Brunnenwasser. Die Maskenbeschwörung in Aulendorf mit Tanz um einen brennenden Holzstoß im „Hexeneck“ sorgt derweil für Gänsehautmomente. Spaß, Schadenfreude, Schlemmen, Necken, Erschrecken, Beschwören – „über die Stränge schlagen“ kann in der schwäbisch-alemannischen Fasnet so schön sein! dwi
Eine Übersicht mit ein paar Terminen zu den Faschingsumzügen, Prunksitzungen und Events in und um unsere TOP Region finden Sie in der Top Magazin Ulm/Neu-Ulm Winterausgabe auf Seite 96. Hier geht’s zur direkt —> Online-Version<—
Sprachliche Fun Facts, die Sie wahrscheinlich noch nicht über die Fasnet wussten:
- Das alemannische Wort „SCHMUTZ“ bedeutet sowohl „Kuss“ als auch „Fett“. Der schmutzige Donnerstag verweist damit sowohl auf fette Fasnachtsspeisen wie Krapfen (z. B. Nonnenfürzle) und Fasnetsküchle, als auch auf sonstige lustvolle Ausschweifungen aller Art.
- Der Begriff „GLOMPIG“ geht auf den Begriff „gompe/gumpe“ zurück. Er bedeutet „Sprüche klopfen“ und „hüpfen“, was die sprachliche Verwandtschaft zum englischen „jump“ nahelegt.
- Die von den Narren getragenen Masken werden auch als Larve oder Scheme bezeichnet. Üblicherweise wurden die Holzmasken mit Ölfarben bemalt. Auf hebräisch heißt Öl „schemen“, was zu manchen Hypothesen geführt hat.
Fotos: Trommgesellenzunft Munderkingen e.V., Diana Wieser, Freepik