Barber Angels Brotherhood e.V.
Biberacher Vision entwickelt sich zur weltweiten Hilfsorganisation Kleider machen Leute – und ein guter Haarschnitt auch. Dass dieser wesentlich dazu beiträgt, sich als Teil der Gesellschaft zu fühlen und von ihr akzeptiert zu werden, davon ist Claus Niedermaier überzeugt. Gemeinsam mit 650 Frisören strömt er Woche für Woche aus, um in acht Ländern Obdachlosen und Armen mit Kamm und Schere die Eintrittskarte in ein würdevolleres Leben zu geben. Als Barber Angels Brotherhood e. V. haben sie dies schon über 65.000 mal gemacht – und dabei Vieles erlebt.
„Aussehen ist Macht, und ein guter Haarschnitt entscheidend darüber, ob man sich in die Gesellschaft eingebunden fühlt oder von ihr ausgeschlossen wird.“ Diese Einsicht, von der der Biberacher Frisör Claus Niedermaier erzählt, sei ihm vor sieben Jahre an einem kalten Winterabend gekommen. Damals sah er einen Bericht über einen in München erfrorenen Obdachlosen. „Warum muss das in Deutschland passieren, und was kann ich einbringen, um diesen Umstand zu entschärfen? Kamm und Schere!“ Als Figaro hat er zigfach erlebt, wie Menschen einen Frisörbesuch als erfreulichen, bestärkenden Moment erleben. „Für Arme und Obdachlose eröffnet er außerdem die Chance, an Würde und Selbstvertrauen zu gewinnen und zurück in die Gesellschaft zu finden. Dadurch vergrößert sich die Möglichkeit, Arbeit und Wohnung zu finden, ganz massiv.“
Mit diesem Ziel gründete der gebürtige Biberacher die Barber Angels Brotherhood e. V. Mittlerweile sind sie nicht nur in sechs europäischen Ländern aktiv, sondern auch in Kolumbien und Chile zu finden. „Die eigene Stellung in der Gesellschaft ist innerhalb unseres Vereins ganz egal. Hier sind alle gleich, und auf Augenhöhe möchten wir auch unseren Kunden begegnen. Daher tragen wir Lederkutten, die – anders als Hemden oder teure Uhren
– keine Hemmschwelle zwischen den Bedürftigen und uns entstehen lassen.“
In jedem der Mitgliedsländer, zu denen in Europa neben Deutschland auch Norwegen, Niederlande, Österreich, Schweiz und Spanien gehören, pflegt ein eigener Landespräsident die Strukturen seines nationalen Chapters. Auf der Ebene der Bundesländer organisieren Zenturien die Einsätze der Apostel, wie die wöchentlich ausströmenden Frisöre genannt werden.
Claus Niedermayer ist als Präsident der Brotherhood auch ihr größter Visionär. „Ziel ist, die Brotherhood auf der ganzen Welt präsent zu haben. Und den Gedanken zu verbreiten, mit eigenem Handwerk Gutes zu tun!“ Derzeit sei er im Gespräch mit Brasilien, Venezuela und Italien. Außerdem mit Frankreich, wo die Barber Angels im Jahr 2020 mit dem Grand Prix Humanitaire geehrt wurden – der höchsten Auszeichnung in Frankreich, die damit erstmals einem Deutschen zuteil wurde. Auch mit dem „Goldenen Bild der Frau“ wurden sie schon prämiert, im Jahr 2022 übergeben von Kai Pflaume.
Dass man durch Geben Freude erfahren kann, diese Erfahrung teilen die Angels mit den großen Wohltätigkeitsvereinen wie Caritas, Rotes Kreuz und Bahnhofsmission. Mit diesen schultern sie gemeinsam umfassende Aktionen – und treffen die Bedürftigen dort an, wo sie sich tagsüber aufhalten. Die großen Einsätze hinterlassen, das merkt man dem Figaro an, auch bei den Angels schöne Spuren: „Wir hatten einen wunderbaren Einsatz in Palma, alle europäischen Chapter haben dort mit über 80 Angels die spanischen Kollegen unterstützt. Stattgefunden hat die Aktion im Fußballstadion von Real Mallorca, und es kamen über 300 Kunden.“ Das Stadion sei dabei unentgeltlich vom Klub zur Verfügung gestellt worden.
Ein ebenfalls großes Event findet alljährlich mit dem Fußballklub Hannover statt und zieht ebenfalls über 300 Kunden an. Um den Bedürftigen umfassend zu helfen, sind dann auch Bäcker, Metzgereien, Optiker und Mediziner an Bord. „Jeder setzt ein, was er kann – von Brötchen über Gegrilltes bis hin zu viel Bekleidung, Lese- und Sonnenbrillen. Wir alle lieben solche Einsätze, sie sind sehr emotional. Die Gäste erleben wir als extrem dankbar und zufrieden.“
Die Auswirkungen von Armut seien weltweit überall gleich, so Niedermaier. „Bedürftige gehen überall gebückt und kommen versteckt hinein. Viele sind nicht frisch geduscht und schämen sich. Während wir die Haare schneiden, richten sie sich zunehmend auf, und schließlich sehen sie sich selbst in einem anderen Licht.“ Dann sehe man ein Lächeln in ihren Gesichtern, verbunden mit neuer Würde und einem aufrechten Gang. Außerdem Zuversicht, Selbstvertrauen und die Hoffnung, zurück in die Gesellschaft zu finden. „Und immer auch den Anlass, neu anzufangen und Dinge anders zu machen.“
Aber nicht nur in Palma oder Hannover, sondern auch hier in der Gegend sind die Barber Angels aktiv. Ob in Suppenküchen oder an Bahnhöfen: Den Frisören ist das nachhaltige Wirken wichtig. Alle drei Monate kommen sie zu ihren typischen Einsatzorten zurück – und bewältigen dabei wie Claus Niedermaier öfter Distanzen wie von Norwegen bis Spanien. Übrigens immer auf eigene Kosten. „Unsere Barber Angels finanzieren sich komplett selbst. Sie gehen auf eigene Kosten zu Einsätzen, zahlen Anfahrt und Hotel sowie den Mitgliedsbeitrag für die Brotherhood.“ Für Spenden, so der Präsident, seien sie daher immer offen – und im Namen ihrer Kundschaft extrem dankbar. cra
Foto: „Als „Barber Angel“ schneidet Claus Niedermaier Bedürftigen kostenlos die Haare und den Bart“ (Claus Niedermaier)