Museum Ulm macht Kunst persönlicher, interaktiver, vernetzter
Es war eine Novität, die Kurt Fried im Jahr 1971 ins Leben rief. Der Verleger, Kunstsammler und Stifter rief die Bevölkerung dazu auf, ihre Lieblingskunstwerke im Zuge des Ausstellungprojektes „Das schönste Bild bei mir zuhaus“ in die damalige Galerie studio f zu bringen. Der ungestörte Blick auf den Wandschmuck von Bekannten oder Unbekannten transferierte Kunst vom privaten in den öffentlichen Raum. Gleichzeitig bildete die Ausstellung einen Querschnitt damaliger Kunstvorlieben ab. Im Jahr 1971 erfreuten sich vor allem Motive aus Ulm und Umgebung, Reiseimpressionen, Landschaften und Blumenstillleben großer Beliebtheit.
Einblicke in heimische Wohnzimmer
Anlässlich des 40. Todestages von Kurt Fried greift das Ulmer Museum diesen Ansatz 50 Jahre später wieder auf und übersetzt ihn in die Moderne. Heute stehen weitaus mehr – vor allem digitale –Möglichkeiten zur Verfügung, um Kunstkenner, Privatleute und Museumsbesucher miteinander zu vernetzen. Durch einen Open Call über die Internetplattform nextmuseum.io wurde die Öffentlichkeit aufgerufen, Kunstwerke zu zeigen, die einen besonderen Platz in ihrem persönlichen Lebensraum einnehmen. Alle 180 internationalen Einreichungen wurden akzeptiert und sind nun im Museum Ulm zu bewundern. Die Bandbreite der Kunstformen ist gewaltig: Kinderzeichnungen, Fotografien, Bilder namhafter Künstler verschiedenster Epochen, Objekte und Skulpturen bilden ein breites Spektrum ab. Dicht an dicht tummeln sich unterschiedlichste Werke: von der Chiemgauer Mona Lisa in Bayerntracht zu haptischen Narzissen, von niedlichen Katzenkindern zum Leid der Nutztiere, vom Seelenfänger zur energetischen Momentaufnahme. Damit nicht genug: Im Museum durften die Besucher über einen Stimmzettel ihr Lieblingskunstwerk wählen. Der Sieger wurde im Rahmen der diesjährigen Kulturnacht am 18. September bekannt gegeben.
Persönlicher, lebendiger, interaktiver
Über die Internetplattform nextmuseum.io werden die ausgestellten Werke in einem persönlichen Rahmen präsentiert. Der Blick in Wohn-, Schlaf- und Arbeitsräume ist unmittelbar. Die jeweiligen Kunstsammler erklären, was ihnen dieses Bild bedeutet. Wir erfahren mehr über die Künstler, die Historie des Bildes. Warum hängen wir uns etwas in unsere Privaträume? Inwieweit unterscheidet sich der Geschmack von dem, was in Museen ausgestellt wird? Fragen, die über die digitale Plattform beantwortet werden sollen, indem sowohl die Kunstszene, als auch die Bevölkerung zum Diskutieren eingeladen wird. Die Plattform zur Co-Kreation und Co-Kuration von Kunstprojekten ist eine Kooperation vom Museum Um, dem NRW-Forum Düsseldorf/Kunstpalast und wird von der Kulturstiftung des Bundes gefördert. Sie soll innovative Wege zur kulturellen Bildung und Kommunikation ebnen, indem neue Ausstellungsformate und digitale Prototypen gestaltet werden.
Sehnsucht nach dem Paradiesgarten
Die Ausstellung „Kunstreichgewächse – Bitte gießen!“ wurde ebenfalls über nextmuseum.io kuratiert. Ausgewählte künstlerische Positionen aus über 151 Einreichungen verwandeln die denkmalgeschützten Räumlichkeiten des Museums in einen blühenden botanischen Garten. Die verlorene Einheit von Mensch und Natur ist ein brandaktuelles Thema, das aus verschiedensten Perspektiven beleuchtet wird. Die Wirklichkeit als Erlebnis verschwindet. Die Sehnsucht nach ihrer Wiederentdeckung, nach einem Ort des Rückzugs, nach Naturidylle wächst. Im Museum Ulm darf das Auge zwischen sattem Blattgrün und bunten Blütenträumen schwelgen. Zu den Highlights gehören innovative Formate wie die Echtzeit-Animation und Video-Installation „Sunshowers“, in der 8000 Charaktere aus Pflanzen, Tieren und Naturgeistern in eine eigene Welt entführen. Damit schafft das Museum Ulm auch eine künstlerische Einstimmung auf die Landesgartenschau 2030 in Ulm. Weitere Aktionen zum Thema „Mensch & Pflanze“ sollen folgen. dwi
Ausstellungsdauer:
„Das schönste Bild bei mir zuhaus“ bis 24. Oktober, „Kunstgewächse“ bis 17. Oktober.
Begleitende Informationen auf www.nextmuseum.io sowie https://museumulm.de/
Fotos: Oleg Kauz (c) Museum Ulm