Verona – die neue Weltstadt der Liebe und Kultur
Nur wenige Stunden mit dem Auto über den Brenner oder mit dem Zug in direkter Verbindung ab München – schon stehen Italienfreunde vor der norditalienischen Stadt, die malerisch zwischen Gardasee und Venedig liegt. Ob für ein romantisches Wochenende zu zweit, eine ganze Woche mit Ausflügen in die Umgebung oder als Zwischenstopp auf dem Weg nach Mittel- oder Süditalien: Verona ist immer und zu jeder Jahreszeit eine Reise wert.
Mit rund 270.000 Einwohnern zählt sie zu den bedeutendsten Kunststädten Italiens. „Von der Antike über die Renaissance bis zum Neo-Klassizismus finden sich hier aus jeder Epoche zahlreiche Kulturschätze“, schwärmt Matteo Ganzarolli. Kein Wunder, im Laufe der Jahrhunderte haben Römer, Lombarden, Venezianer, Österreicher und Deutsche ihre Spuren hinterlassen. Die Stadt der Liebe gibt sich weltoffen. „Verona ist ein Schmelztiegel mit den besten Einflüssen diesseits und jenseits der Alpen“, so der Italienischlehrer, der seit 12 Jahren in Ulm lebt und beide Kulturkreise kennt.
Pulsierende Piazze
Ein gutes Beispiel für das Zusammenspiel der Kulturen und Epochen ist die beeindruckende Piazza delle Erbe. Vom barocken Palazzo Maffei lachen antike Gottheiten herunter. Daneben ragt der imposante Glockenturm Torre del Gardello aus der Skaligerzeit in die Höhe. In der Mitte steht der Fontana di Madonna Verona, im Hintergrund thront ein geflügelter Löwe, Wahrzeichen der über Jahrhunderte herrschenden Venezianer. Obst- und Souvenirverkäufer bedienen Touristen, das junge Szenepublikum Veronas führt die neueste Mode spazieren, mit etwas Glück läuft einem sogar Harry Potter-Star Emma Watson über den Weg, die an der Piazza delle Erbe ein Appartement gekauft hat. Es lohnt sich, an diesem Platz der italienischen Aperitivo-Kultur zu frönen und das lebendige Geschehen bei einer der zahlreichen Sprizz-Varianten auf sich wirken zu lassen.
Nabucco unterm Sternenzelt
Im Juli und August erfährt Verona wegen der Opernfestspiele besonders großen Zustrom. Die Arena di Verona ist das drittgrößte Amphitheater Italiens und bietet rund 14.000 Besuchern Platz. Wo einst Gladiatoren ihr Leben ließen, lauschen heute Opernliebhaber den Klängen von Nabucco, Aida oder Tosca unter freiem Sternenhimmel. Neben Operngrößen sind außerhalb der Saison aktuelle Künstler wie Adele zu Gast. Nach jahrzehntelangem Ringen soll die Arena nun eine mobile Überdachung erhalten, den Zuschlag erhielten zwei deutsche Unternehmen aus Stuttgart und Hamburg.
Einen wundervollen Blick auf Verona und den Fluss Etsch – oder vielmehr den Fiume Adige – bieten Open-Air-Aufführungen im Teatro Romano, direkt neben dem archäologischen Museum gelegen. Junge Bühnen wie das Teatro Camploy zeigen Schauspiel, Tanz und Konzerte. Sie verstehen es, Klassiker kreativ umzusetzen. Bei Ballettaufführungen im Teatro Nuovo kann es passieren, dass Julia barbusig über die Bühne tanzt und einen „alternativen Tod“ stirbt. Zahlreiche Museen lassen die Herzen von Kunstfans höherschlagen. Im Palazzo Forti gibt es zum Beispiel neben dem Opern-Museum Ausstellungen großer Meister wie Picasso und Toulouse Lautrec zu bewundern.
Amore mio!
Wohl jeder Besucher landet in Verona irgendwann auf den Spuren von Romeo und Julia. Pilgerstätte Nummer eins ist die Casa di Giulietta in der Via Capello. Angesichts liebeshungriger Menschenmassen empfiehlt es sich, das Haus gleich zur Eröffnung um 8.30 Uhr zu besichtigen. Einmal unter Julias Balkon ewige Treue schwören, die rechte Brust der Bronzestatue berühren, eine Botschaft an die Hofinnenwand kleben – all dies soll Glück bringen. Romantiker sehen darüber hinweg, dass die Szenerie eine Fälschung ist! Das Gebäude wurde Anfang des 20. Jahrhunderts von der Kommune aufgekauft, der Balkon dazu gebaut und eifrig Marketing betrieben. Original und weniger stark frequentiert ist das gotische Backsteinhaus des Romeo, das jedoch nur von außen besichtigt werden kann. Ob es das tragische Liebespaar so überhaupt gegeben hat, bleibt bis heute umstritten. Auf ganz reale Liebespaare will sich das geplante „Museo dell’amore“ konzentrieren. Demnächst sollen auf 1800 qm die 500 schönsten Paare von der Antike bis zur Gegenwart präsentiert werden. Das Museum ist das weltweit erste seiner Art und ein weiterer Meilenstein auf dem Weg Veronas zur neuen „Liebeshauptstadt“.
Die Augen nach oben
Beim Flanieren durch Veronas Gassen empfiehlt Matteo Ganzarolli, den Blick nach oben zu lenken. Die nach und nach angebauten Stockwerke und Fassaden erzählen die Geschichte von Jahrhunderten, verschnörkelte Balkone, üppig bepflanzte Dachterrassen und liebevolle Details verzaubern. Findigen Betrachtern dürfte eine Besonderheit auffallen: Die Gebäude des Stadtkerns sind noch heute mittels Dachgängen miteinander verbunden. Sie bilden um jeweils mittig platzierte Brunnen einen Hof. Ein cleverer Schachzug der Veronesen. Im Falle einer Belagerung konnten sich die einzelnen Quartiere und Plätze abschotten, da die Versorgung gewährleistet blieb. Der Feind musste sich, sofern es ihm gelang die Stadtmauer zu überwinden, stückchenweise vorarbeiten.
Das müssen Sie sehen…
Den Blick nach oben zu lenken, lohnt sich definitiv in der Chiesa Sant’Anastasia. Die gotische Kirche bietet schöne Deckenfresken und das berühmte Pisanello-Werk „Aufbruch des heiligen Georg“. Ebenfalls sehenswert ist der Duomo Santa Maria Matricolare. Er ist im typischen veronesischen Streifendekor gehalten. Dieses entsteht durch die abwechselnde Verwendung von Tuffstein, Terracotta, weißem und rosafarbenen Marmor. Auf dem Gelände befindet sich auch die Biblioteca Capitolare, eine der ältesten Bibliotheken der Welt, die noch heute wertvolle Manuskripte beherbergt. Weitere Hot Spots: Die imposante Burg Castelvecchio, die Piazza Bra, der Giardino Giusti, welcher schon Goethe ins Schwärmen brachte sowie die hoch aufragenden Skaligergräber. Die kunstvoll verzierten Sarkophage sind teils von Baldachinen gekrönt, am Tor prangt das Familien-Symbol, die Leiter. Nach ihrer Vertreibung landeten die „Signori della scala“ übrigens in Bayern. Den schönsten Ausblick auf Altstadt, Fluss und die Ponte Pietra genießen Besucher vom Castel San Pietro. Oder erklimmen die 368 Stufen des Torre dei Lamberti.
Wer vom Kulturreigen genug hat, findet in der Umgebung genügend Zerstreuung in Form von Golfplätzen, Wellness-Oasen, Weingütern, Wander-Naturparks und einem erfrischenden Sprung ins kühle Nass des 30 Kilometer entfernten Gardasees.
Shoppen im Schuhparadies
Modeliebhaber flanieren gerne auf der Via Mazzini und der parallel verlaufenden Via Porta Borsari. Neben Designermarken sind hier viele italienische Geschäfte angesiedelt, die großen Wert auf „Made in Italy“ legen. Von klassisch bis extravagant ist hier alles vertreten. Bei Hemden, Taschen, Sonnenbrillen und Schuhen heißt es zugreifen! Etwa 50 Prozent aller Brillen weltweit stammen aus dem Veneto, daneben macht Veronas Schuhindustrie jährlich etwa 1,1 Milliarden Euro Umsatz. Zahlreiche Spezialitätengeschäfte locken mit Vino, Olivenöl und regionaltypischen Waren. Wunderbar zum Mitnehmen sind die Gebäck- und Pastaspezialitäten der Pasticcheria da Rossi, direkt neben der Piazza delle Erbe. Ein Muss: Die durch einen „Kuss“ miteinander verbundenen Edelpralinen, genannt Baci di Giulietta. Wer nicht widerstehen kann – rund um die Casa di Giulietta gibt es allerlei Kitsch und Nippes für Verliebte.
Elegant schlemmen
Für einen idealen Start in den Tag empfiehlt Matteo Ganzarolli einen Abstecher in sein Lieblingscafé, die Caffetteria al Duomo. Hinter dem historischen Gebäude am Domplatz lockt ein wunderbarer Garten, in dem es sich lauschig unter Weinreben und Zitronenbäumchen verweilen lässt. In der Terrazza Bar al Ponte lässt sich der Vino direkt an den Ufern des Fiume Adige genießen.
Tierisches Happy-End
Im Jahr 2012 erhielt Verona endlich eine reale Liebesgeschichte mit Happy End! Der mit einem Sender versehene Wolf Slavko aus dem Balkan machte sich auf die Suche nach einer Partnerin und streunte monatelang durch die Bergwelt. Im Naturpark von Lessinia bei Verona fand er ein Weibchen aus dem Rudel der Alpenwölfe. Diese erhielt, wie könnte es anders sein, den Namen Giulietta! Das Paar bekam Welpen und trug durch die genetische Vermischung wesentlich zum weiteren Artbestand bei. Die italienische Presse war begeistert. Wenn sogar die Fauna dem Zauber von Verona erliegt, könnte die Metropole am Etsch wirklich bald zur „Weltstadt der Liebe“ werden. Oder um in den Worten Shakespeares zu bleiben: Wo Julia ist, ist der Himmel. dwi
Fotos: Andreas Heck (1), Diana Wieser, Provincia di Verona Turismo (Thilo Weimar, Ferruccio Dall‘Aglio)